Häme und heftige Kritik muss sich Kassel Airport gefallen lassen: zu
teuer, keine Auslastung. Zuletzt aber kann der Flughafen zwei Erfolge
verbuchen. Doch reicht das, wenn die Landesregierung den Airport in diesem Jahr auf den Prüfstand stellt?

Gepäcktrolleys stehen am Flughafen Kassel-Calden. © dpa /Swen Pförtner

Für Kassel Airport wird 2017 ein Schicksalsjahr. Die Landesregierung hat angekündigt, die Zukunftsfähigkeit des defizitären Flughafens zu beurteilen. Seit der Eröffnung im April 2013 hatte es dreieinhalb Jahre lang ziemlich schlecht ausgesehen, doch mit zwei Erfolgen könnte sich das Blatt zunächst gewendet haben.

Zum einen sieht der Airport in der Stationierung eines Ferienfliegers am Flughafen den Aufbruch in eine erfolgreiche Zukunft. Die neue Fluggesellschaft Sundair erwartet für 2017 rund 30.000 Kunden in Kassel, das sind gezählte 60.000 Fluggäste. Vom 1. Juli 2017 an sind insgesamt 13 Flüge pro Woche geplant — nach Mallorca, Fuerteventura, Gran Canaria, Kreta und Antalya. «Ziel ist, über den Sommer hinaus weiterzumachen», betont Detlef Schroer, Leiter Vertrieb beim Reiseveranstalter Schauinsland-Reisen, der die Sundair-Flüge vermarktet.

Hoffnungen ruhen auf Frachtbereich

Zudem sieht Kassel Airport den Frachtverkehr mittel- und langfristig als weiteres Standbein neben Urlaubs- und Geschäftsflügen. Seit November 2015 gibt es am Flughafen fünf bis sechs wöchentliche Frachtflüge. Mit GLS kommt nun ein weiterer Frachtkunde an den Flughafen. Viermal pro Woche wird nachts ein GLS-Flieger vor allem mit Expressfracht abgefertigt. Für diese Branche gewinne der Flughafen offenbar an Bedeutung, sagt der Flughafen-Aufsichtsratschef, Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU). «Es ist wichtig, dass der Flughafen renommierte Unternehmen als Kunden gewinnt.»

Für 2017 steht auch fest, dass zwischen Ende März und Juli der Anbieter Aegan Airlines anlässlich der Weltkunstausstellung documenta zwischen Kassel und Athen fliegt. Zudem gibt es einige Gruppenflugreisen zu verschiedenen europäischen Zielen.

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Weit von Planungen entfernt

Dennoch ist der am 4. April 2013 eröffnete Regionalflughafen von den ursprünglichen Planungen weit entfernt. Die Zehnjahresprognose geht für das Jahr 2024 von 497.000 Passagieren aus. 2015 waren es rund 65.000, zwischen Januar und Oktober 2016 nur 53.332 Fluggäste.

Trotz der jüngsten Fortschritte ist ungewiss, was herauskommt, wenn die schwarz-grüne Landesregierung den Flughafen auf den Prüfstand stellt. Der Verkehrsforscher Matthias Gather sah bereits bei der Bekanntgabe des Sundair-Deals Probleme für weiteres Wachstum. Das Problem geringer Auslastung bei vielen Regionalflughäfen bleibe bestehen, betonte der Professor an der Fachhochschule Erfurt. «Wir haben da einen Sättigungsgrad erreicht.»

Minister Schäfer betont, bei der Evaluierung sei es nie darum gegangen, den Flughafen zu schließen, «sondern zu schauen, in welcher Form er zukünftig arbeiten kann». Die Chancen, weiter als Verkehrsflughafen betrieben zu werden, «haben sich durch das Engagement von Schauinsland Reisen und Sundair deutlich erhöht». Er forderte die Region auf: «Buchen, buchen, buchen. Dann ist der Ausblick auf 2017 so gut wie lange nicht mehr.»

Rückstufung wäre logische Folge

Doch der CDU-Politiker stellt — wohl auch mit Blick auf den flughafen-kritischen grünen Koalitionspartner — klar: «Sollte es mit diesem Angebot nicht gelingen, einen touristischen Verkehr am Flughafen zu etablieren, ist eine Rückstufung zum Verkehrslandeplatz die logische Folge.» Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit seien aber gut.

Wie die Bewertung aussieht, ist derzeit noch unklar. Der Sommerflugplan 2017 werde mit einzubeziehen sein, sagte Schäfer. «Die Evaluierung (wird) daher in der zweiten Jahreshälfte vorzunehmen sein.» Dazu werde die Landesregierung auch externe Berater hinzuziehen.

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Derzeit herrscht beim krisengeschüttelten Airport Winterschlaf — es gibt keinen touristischen Winterflugplan. Bis zum ersten Start eines Ferienfliegers nach der Winterpause im März 2017 muss zudem das Terminal repariert werden: In den Holzträgern wurden bei einer turnusmäßigen Überprüfung Risse festgestellt. Es wurden bereits Stützen eingebaut, «um eine im kommenden Winter gegebenenfalls auftretende Belastung durch außerordentliche Schneemengen auf dem Terminaldach zusätzlich abzusichern», wie Kassel Airport mitteilte. Die Sanierungsarbeiten sollen vor dem Start des Flugplans abgeschlossen sein.

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Einen der wenigen Kunden hat Kassel Airport wieder verloren — ausgerechnet das Land selbst. Das Regierungspräsidium Gießen (RP) hatte zeitweise Abschiebeflüge von Kassel geflogen, diese aber nun eingestellt. «Wir sind dazu übergegangen, die Abschiebeflüge mit Frontex, der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, durchzuführen. Dies bedingt einen Start ab Frankfurt/Main», teilte eine RP-Sprecherin mit.

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