Schritt in Richtung Wachstum oder letzte Chance? Die angekündigte Stationierung eines Sundair-Flugzeugs am Flughafen Kassel-Calden wird recht unterschiedlich bewertet. Hessens Finanzminister Schäfer findet deutliche Worte.

Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU). © dpa /Uwe Zucchi

Der krisengeschüttelte Flughafen Kassel-Calden macht mit der erstmaligen Stationierung eines Ferienfliegers 2017 einen Schritt in Richtung nachhaltiges Wachstum. Flughafen-Geschäftsführer Ralf Schustereder sagte jetzt in Kassel: «Das ist ein Meilenstein in der Entwicklung des Flughafens.» Der Flughafen habe einen Coup gelandet.

Die neue deutsche Fluggesellschaft Sundair hatte zuvor zugesagt, ab dem 1. Juli 2017 ein Flugzeug vom Typ Airbus A319 auf dem 2013 eröffneten Regionalflughafen zu stationieren. Insgesamt sind 13 Flüge pro Woche geplant — nach Mallorca, Fuerteventura, Gran Canaria, Kreta und Antalya. Derzeit ist der Flughafen im Winterschlaf — einen Winterflugplan gibt es nicht. Zwischen Januar bis Oktober waren es 53.332 Passagiere.

«Nachfrage ist da»

Verantwortlich für den Vertrieb der Airline ist der Reiseveranstalter Schauinsland-Reisen, der auch Anteilseigener der Sundair ist. «Die Nachfrage ist da», sagte Detlef Schroer, Leiter Vertrieb bei Schauinsland-Reisen. Am ersten Tag habe es bereits 100 Buchungen gegeben. Sundair erwartet für 2017 rund 30.000 Kunden.

Für den Flughafen-Aufsichtsratschef, Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU), ist der Deal die letzte touristische Chance für den Flughafen. «Sollte es mit diesem Angebot nicht gelingen, einen touristischen Verkehr am Flughafen zu etablieren, ist eine Rückstufung zum Verkehrslandeplatz die logische Folge.» Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit seien aber gut.

Grüne bleiben skeptisch

Auch für die Grünen im hessischen Landtag ist es die letzte Möglichkeit, sich als Verkehrsflughafen zu bewähren. Der Airport müsse zum Verkehrslandeplatz rückgestuft werden, wenn es nicht gelingt, «dauerhaft einen touristischen Flugverkehr zu etablieren», erklärte der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner.

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Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) widersprach dem Minister in puncto möglicher Herabstufung. Schäfers Position decke sich nicht mit der Haltung der drei kommunalen Gesellschafter. «Wir wollen, dass der Airport seine bisherige Qualifizierung behält.» Hilgen hatte bereits im August erklärt, dass er keine Sorgen habe, dass die Landesregierung den Airport herabstufen, abwickeln oder stilllegen könnte.

Laut Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen soll der Flughafen Kassel-Calden im nächsten Jahr eingehend auf den Prüfstand kommen. Dabei sollen nicht nur Sparerfolge sondern auch die absehbaren Entwicklungsperspektiven kritisch überprüft werden. Im schlimmsten Fall könnte Kassel-Calden dann das Aus drohen: «Sollte diese Evaluierung nicht zu einem positiven Ergebnis kommen, wird ausdrücklich keine mögliche Maßnahme ausgeschlossen», heißt es im Koalitionsvertrag.

Das Betriebsdefizit am Kassel Airport soll laut Geschäftsplan von 8,1 Millionen Euro 2014 auf 2,7 Millionen Euro im Jahr 2019 gesenkt werden. 2015 waren es rund 6,1 Millionen Euro, das Defizit lag damit im Plan.

Neben den Sundair/Schauinsland-Flügen steht derzeit bereits fest, dass zwischen Ende März und Juli Aegan Airlines anlässlich der Weltkunstausstellung documenta zwischen Kassel und Athen fliegt. Zudem gibt es einige Gruppenflugreisen zu verschiedenen europäischen Zielen und fast täglich Frachtflüge.

Der Flughafen Kassel-Calden (KSF)

Der Flughafen Kassel-Calden, der sich seit Jahresbeginn als Kassel Airport vermarktet, hat bis heute mit mangelnder Auslastung zu kämpfen. In der Planungszeit waren dem Flughafen 640.000 Passagiere für das Jahr 2020 prognostiziert worden, mittlerweile geht die aktualisierte Zehnjahresprognose für das Jahr 2024 von nur noch 497.000 Passagieren aus. Kassel-Calden war im April 2013 eröffnet worden. Der Airport kostete 271 Millionen Euro — könnte wegen Nachforderungen von Bauunternehmen aber noch einmal um bis zu 14 Millionen Euro teurer werden. Neben der Gemeinde Calden mit sechs Prozent hält das Land Hessen 68 Prozent der Anteile der Flughafen-Betreibergesellschaft. Je 13 Prozent halten Stadt und Landkreis Kassel.

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