Walter Schoefer, Geschäftsführer des Stuttgarter Flughafens, erläutert im Interview mit airliners.de die geplanten Kapazitätserweiterungen und erklärt, was sich der Flughafen vom Bahnprojekt Stuttgart 21 verspricht.
Walter Schoefer: «Wir haben aktuell keinen Bedarf für eine zweite Bahn.» © airliners.de
Der Flughafen Stuttgart hat das Jahr 2017 mit einem neuen Passagierrekord abgeschlossen. Dem konnte auch die Air-Berlin-Pleite nichts anhaben. Der Marktanteil der ehemals zweitgrößten deutschen Airline lag zum Zeitpunkt der Insolvenzverkündung bei noch sieben Prozent aus. Die Airlines der Lufthansa Gruppe waren zu diesem Zeitpunkt bereits die wichtigsten Carrier für den Airport. Im Gespräch mit airliners.de skizziert Walter Schoefer die anstehenden Bauarbeiten zum Terminal 4 und warum er beim Thema Bahnanbindung erstmal gelassen bleibt.
airliners.de: Das vergangene Jahr war sehr erfolgreich für den Flughafen Stuttgart. Sie haben trotz der Air-Berlin-Pleite mehr Passagiere abgefertigt, aber trotzdem eine symbolische Grenze nicht erreicht …
Walter Schoefer: Die Elf-Millionen-Marke haben wir nur um 24.000 Passagiere verfehlt! So waren es dann 10,98 Millionen Passagiere. Das heißt für uns, dass die Nachfrage da ist. Baden-Württemberg ist ein starker Wirtschaftsstandort und Stuttgart ein starker Markt für den Luftverkehr. Die Leute wollen fliegen.
Eurowings und Lufthansa fliegen bislang keine Langstrecken ab Stuttgart. Wie steht es um den interkontinentalen Verkehr an Ihrem Flughafen?
Der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg braucht Anschluss an die Welt und muss deshalb auch mit Langstreckenzielen angeschlossen werden. Wir glauben daran, dass wir aufgrund unserer starken Wirtschaftsstruktur einen Anspruch darauf haben. Dafür stehen wir mit Emirates in einem sehr engen Kontakt. Die Wirtschaft ist da. Jetzt liegt es an den Verkehrsrechten. Das muss auf politischer Ebene entschieden werden.
Der Manager
Walter Schoefer ist seit 1. September 1999 Geschäftsführer der Flughafen Stuttgart GmbH und für die Bereiche Non-Aviation, Immobilien, Infrastruktur sowie der Unternehmenskommunikation verantwortlich. Seit 2017 ist er Sprecher der Geschäftsführung. Außerdem ist Mitglied des Aufsichtsrat der Baden-Airpark GmbH und Aufsichtsratsmitglied der HSG Flughafen Stuttgart Handels- und Service GmbH.
Kommen wir zum Thema Infrastruktur. Der Airport will 300 Millionen Euro in die Infrastruktur investieren. Was steht an?
Wir bauen das Terminal 4 neu. Da wollen bis zum Juni ein sogenanntes Pflichtenheft fertigstellen. Das gestaltet sich aber schwieriger als erwartet.
Warum?
Zunächst müssen wir definieren, wie die zukünftige Flugastkontrolle aussieht. Dazu haben wir leider kein übertragbares Konzept, das schon mit den Bundesbehörden abgestimmt wäre. Der zweite Punkt ist, dass wir mehr Platz in der automatisierten Reisegepäckkontrolle benötigen. Da kommen wir langsam an unsere Grenzen.
Weil immer mehr gereist wird?
Auch, aber vor allem, weil sich das Passagierwachstum in größeren Kabinen abspielt. Ein Beispiel: In Stuttgart haben wir eine Nachtflugbeschränkung. Wenn ab sechs Uhr morgens wieder geflogen werden darf, haben Sie in der ersten Betriebsstunde 32 mögliche Abflüge. Früher fassten die Kabinen rund 70 Sitzplätze. Multipliziert man die Zahlen miteinander kommt man auf 2000 bis 3000 Personen, die sich vorher im Terminal aufhalten. Heute sind die Kabinen im Schnitt deutlich größer, was dazu führt, dass zu den Peak-Zeiten mehr als 4000 Menschen gleichzeitig in den Terminals sind. Das bedeutet für uns, dass wir einfach dringend mehr Platz brauchen.
Wie sieht konkret der Fahrplan für das neue Terminal aus?
Der Aufsichtsrat soll das Pflichtenheft im Juni absegnen. Im Anschluss wird es dann zwei Fachplaner-Wettbewerbe geben, sowohl für die technische Seite als auch für die architektonische Seite und dann wollen wir schauen, wie das neue Gebäude in die Terminallandschaft des Flughafen Stuttgarts passt. Aber besser als das bestehende wird es in jedem Fall …
Sie haben ja schon angesprochen, dass das Terminal entsteht, um die Kapazität des Flughafens zu erhöhen. Wie will der Flughafen die Kapazitäten während der Bauphase sicherstellen?
Wir arbeiten in mehreren Bauabschnitten und stellen somit sicher, dass die Kapazität in jeder Stufe ausreichen wird.
Das klingt sehr ambitioniert. Erwarten Sie keinerlei Probleme?
Herausfordernd wird die Tatsache, dass wir zwei Baugruben direkt nebeneinander haben werden. Der Abstand wird nur wenige Meter betragen. Eine Baugrube ist für unser neues Terminal und die andere Baugrube entsteht für das Projekt Stuttgart 21. Dort wird ein Fernbahnsteig neben die bestehenden S-Bahn-Gleisen gelegt.
Das Projekt Stuttgart 21 wird ja teurer als geplant. Kommen auch auf dem Flughafen Mehrkosten zu?
Hier sehen wir keine Gefahr. Wir haben 2009 einen Finanzierungsvertrag unterschrieben. In das Projekt Stuttgart 21 investieren wir insgesamt etwa 360 Millionen Euro eigenes Geld. Nur mal so nebenbei, das ist ungefähr der sechsfache Betrag im Vergleich zu dem, was andere Flughäfen für Ihren Fernbahnhofanschluss bezahlen.
Stellt sich die Frage, warum tun Sie das?
Wir machen das um unsere Catchment-Area im Dreieck zwischen Frankfurt, München und Zürich noch besser auszuschöpfen. Damit man von jeder Stadt in Baden-Württemberg dann umsteigefrei entweder mit einem Interregio-Express oder einem Intercity zum Flughafen Stuttgart kommt. Davon versprechen wir uns ein ungefähres Passagierwachstum von einer bis zu eineinhalb Millionen pro Jahr.
airliners.de-Redakteur Benjamin Recklies (links) im Gespräch mit Walter Schoefer.Foto: © airliners.de
In der letzten Zeit wurde in Medien kolportiert, dass die Deutsche Bahn am künftigen Fernbahnhof weniger Züge halten lassen wird als ursprünglich zugesichert.
Im Finanzierungsvertrag von 2009 ist ein bestimmtes Fahrprogramm hinterlegt. Das dient allerdings in erster Linie der Dimensionierung der Bahnanlagen. Den Fahrplan selber, den wird die Bahn mit Sicherheit erst 2023/24 entwickeln. Also so circa zwei Jahre vor der ersten Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass die Bahn Milliarden investiert um dann hinter keine Züge fahren zu lassen.
Jetzt haben wir über die Kapazitäten des Terminals gesprochen. Ein anderer limitierender Faktor ist ja in der Regel die Start- und Landebahn. Wie sieht es in Stuttgart aus?
Das Thema zweite Landebahn hat uns im Jahr 2006/07 stark beschäftigt. Damals hatten wir rund 165.000 Flugbewegungen im Jahr. Bei unseren Verkehrszeiten und unserem Verkehrsmix wäre bei rund 190.000 Schluss gewesen. Die Politik hat die Pläne zur zweiten Bahn damals nicht weiterverfolgt. Zur Hilfe kam der bereits angesprochenen Strukturwandel in der Luftfahrt — die größeren Kabinen.
Also ist das Thema zweit Bahn vom Tisch?
Heute befördern wir deutlich mehr Passagiere als im Jahr 2013 — und das mit nur 130.000 Flugbewegungen. Deshalb sehen wir da keinen Bedarf. Unser limitierender Faktor sind die Abfertigungskapazitäten zu Spitzenzeiten — und da arbeiten wir mit dem Terminal 4 bereits an einer Lösung.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schoefer.