Münchens Flughafenchef Michael Kerkloh erklärt im Gespräch mit airliners.de, warum die dritte Bahn kommen wird, der Airport jetzt zur Königsklasse gehört und Flughäfen per se Innovationsstandorte sind.

Michael Kerkloh im Gespräch mit airliners.de © airliners.de

Der Flughafen München gehört seit der Verlagerung von fünf A380-Maschinen der Lufthansa aus Frankfurt zu einem exklusiven Kreis, denn in Europa gibt es nur vier A380-Hubs. Damit spiele der Airport jetzt in der Königsklasse, sagt Airport-Chef Michael Kerkloh im Interview mit airliners.de. Diese Entwicklung komme natürlich nicht aus dem Nichts. Der Flughafen mache mehr, als Flugzeuge abzufertigen. Er eröffnet Innovationsstandorte, baut Wohnungen und sichert zu einem Teil die Jobs der Zukunft.

airliners.de: Herr Kerkloh, kommt die dritte Bahn oder kommt sie nicht?
Michael Kerkloh: Ich glaube, Sie kommt, denn sie ist angesichts der prognostizierten Zuwächse im Luftverkehr dringend notwendig. Man braucht halt nur die notwendige Zeit, um eine politische Lösung herbeizuführen. Bayerns neuer Ministerpräsident hat ja angekündigt, dass das Thema nach der Landtagswahl im Oktober angegangen wird.

Dessen Vorgänger Horst Seehofer hat gesagt, das Thema bewege Bayern und die CSU müsse sich da im Landtagswahlkampf klar positionieren. Damit hat er die dritte Bahn geschickt seinem Nachfolger Markus Söder ins Pflichtenheft geschrieben …
Ich persönliche glaube, dass das Thema gar nicht so einen großen Einfluss auf die Wahl haben wird. Wir reden ja über ganz Bayern. Man muss auch mal festhalten, dass von der dritten Bahn eine vergleichsweise geringe Lärmbetroffenheit ausgeht. Keine andere Bahn in Deutschland hätte eine geringere Betroffenheit als die Münchner, wenn Sie etwa an Frankfurt, Düsseldorf oder Berlin denken. Daher ist es auch rational, es bei uns zu machen. Aber es muss auch klar sein: Die Wirkung, die der Flughafen München mit einer strategisch abgesicherten Wachstumsentwicklung über die neue Piste hätte, ist natürlich ein ganz wichtiger Bestandteil zur Gestaltung der Zukunft in Bayern.

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Streitthema: Dritte Bahn

Der Flughafen München plant seit 2007 den Bau einer dritten Start- und Landebahn. Mit der vier Kilometer langen und 60 Meter breiten Piste könnte die Kapazität deutlich gesteigert werden. Statt bisher maximal 90 stündlichen Abflügen wären dann 120 Flugbewegungen möglich. Schätzungen zufolge liegen die Kosten bei rund 1,6 Milliarden Euro, die der Airport komplett eigenständig finanzieren könnte. Bisher ist das Projekt an den unterschiedlichen Ansichten der drei Gesellschafter (Freistaat Bayern, Landeshauptstadt München, Bundesrepublik Deutschland) gescheitert. 2012 stimmten die Münchner in einem Volksentscheid gegen die Bahn.

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Die Zukunft wollen Sie jetzt schon gestalten mit dem Lab-Campus — und mit …?
Wir wollen die Idee des Lab-Campus mit dem Innovationsanspruch des Flughafens München verknüpfen. Wir wollen große innovative Unternehmen und Start-Ups an den Flughafen bringen. Gemeinsam könnte an Zukunftslösungen gearbeitet werden, die im Idealfall direkt am Airport getestet werden. Ob das jetzt die Automatisierung von Gepäckprozessen oder autonome Mobilität betrifft. Man kann den Flughafen als Bühne nutzen. Ein Flughafen ist innovativ per se. Wir sind ein Prime-Standort in der Region, auch wenn Belastungen damit einhergehen. Das bestreiten wir nicht, aber gleichzeitig ist ein Airport ein unheimlicher Showcase für die jeweilige Region.

Und konkret heißt das?
Wir engagieren uns selber im Wohnungsbau und wollen 600 Wohneinheiten in der Region realisieren, da wäre vor 20 Jahren niemand draufgekommen. Wir machen das, weil wir wissen, dass wir auch Beschäftigte am Flughafen haben, die weniger verdienen. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt ist in München und der Flughafenregion bekanntermaßen hoch. Betroffene sind vorrangig Menschen mit niedrigem Einkommen. Es ist unsere Aufgabe, das zu kanalisieren. Wir sind keine Tonnen-Ideologen, die sich nur für Flugbewegungen und Passagierzahlen interessieren. Wir sehen, was wir alles Gutes machen können mit dem Wachstum. Man muss das vernünftig strukturieren und den Menschen erklären. Es geht eigentlich darum, ganz grundlegende Voraussetzungen zu schaffen, dass die Basis unseres Wohlstandes erhalten bleibt. Am Ende sind Airports große Katalysatoren.

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Was meinen Sie damit?
Ich vertrete die These, dass es mindestens die Hälfte der heutigen Jobs in 30 Jahren nicht mehr geben wird. Die neuen Jobs werden da entstehen, wo es Zukunftsversprechen gibt und das wird maßgeblich in Städten sein. Städte wie München, Berlin oder Hamburg arbeiten jetzt schon daran, Standorte zu werden, an denen Zukunftstechnologien entwickelt werden. Orte, wo die neue «disruptive Welt» stattfindet, werden die Arbeitsplätze von morgen produzieren. Eine Grundvoraussetzung dafür ist Konnektivität, und Flughäfen tragen dafür Sorge, dass diese gut funktioniert. Das Thema ist zwar abstrakt — aber auch eine ökonomische Realität. Das müssen wir und das müssen die Entscheider begreifen.

Zum Interviewpartner

Der Manager: Michael Kerkloh ist seit September 2002 Chef des Flughafens Münchens. Sein Vertrag läuft noch bis 2019. Aktuell ist Kerkloh Interimspräsident des Flughafenverbandes ADV. Das Amt hatte er bereits offiziell bis Anfang 2017 inne.

Der Mensch: Michael Kerkloh ist begeisterter Musiker. Er spielt Klavier, Geige und Gitarre. Er ist Gitarrist der Rockband «Next Generation».

Hat die Lufthansa das kapiert? Immerhin kommen fünf Riesenvögel zu Ihnen. Der Hub München scheint im Fokus des Kranichs zu liegen?
Na ja, München gewinnt an Bedeutung. Aber es ist ja nicht so, dass Frankfurt hier abschmiert. Dort gibt es auch ein deutliches und sichtbares Wachstum. In München haben wir gute Voraussetzungen mit unserer Infrastruktur und mit dem Joint-Venture mit der Lufthansa. Wir sind beide Five-Star zertifiziert. Im Grunde genommen ist das, was jetzt mit der Verlagerung der A380 passiert, eine natürliche Weiterentwicklung unserer Partnerschaft. Wir haben das nicht selbst forciert, sondern das hat sich so aus vielen Umständen ergeben. Wir sind jetzt reif genug, um in der Königsklasse zu spielen. Es gibt ja nur vier A380-Hubs in Europa.

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Und Sie sind jetzt einer davon?
Das ist für uns natürlich auch ein Vertrauensbeweis, dass wir die A380 «können».

Ist das ein Vertrauensbeweis an München oder ist das eine Absage an Frankfurt und deren Gebührenpolitik?
Das ist ein Vertrauensbeweis an München! Man fällt diese Entscheidung, weil man an den Markt glaubt. Am Ende geht es dabei um eine deutsche Systempartnerschaft und die soll auch in Europa sichtbar sein. Wenn man den Premiumanspruch einlösen will und dafür auch mehr bezahlt, will man auch Verlässlichkeit bekommen. Dass das so funktioniert, kann man an Lufthansa und uns sehen. Wir sind beide hervorragende Repräsentanten für das, wofür Deutschland berühmt ist. Das muss natürlich auch finanziert werden. Die Airport-Charges dürfen nicht in astronomische Höhen wachsen — auch um die Wettbewerbsfähigkeit der Luftverkehrsgesellschaften nicht zu schädigen.

Herr Kerkloh, vielen Dank für das Gespräch.

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